Vor einer Präsentation war ich früher oft aufgeregt: Habe ich die richtigen Inhalte bearbeitet? Habe ich alle Hilfsmittel beisammen? Wie sind die Zuhörenden drauf? Sitzt die Frisur? Über alles Weitere habe ich mir wenig Gedanken gemacht – über meine Stimme? Gar nicht. Die ist ja sowieso da. Euch ging und geht es vielleicht ähnlich. Dabei ist die Stimme ein erstaunliches Phänomen, das unsere Aufmerksamkeit verdient – vor allem, wenn wir beruflich sprechen.
Die Stimme ist individuell geformter Schall. Sie übermittelt unseren Zuhörer:innen jede Menge persönlicher Informationen über uns, umso mehr, als sie von körperlichen und emotionalen Regungen abhängt. Für Berufssprecher:innen, wie Lehrkräfte, Schauspieler:innen und Moderierende, ist es deshalb wichtig, ihre Stimme genau zu kennen, um sie gezielt einsetzen zu können. So können wir beispielsweise mit lebhafter Stimme innere Müdigkeit oder mit kräftiger Stimme innere Unsicherheit überspielen. Das gilt sowohl für den analogen als auch für den digitalen Raum.
Für beide Räume gilt auch: Körperhaltung, Atmung und Gesten unterstützen die Stimme. Außerdem sollten wir Folgendes beachten:
Ich fühle mich so, wie du klingst: der funktionelle Nachvollzug
Der funktionelle Nachvollzug bezeichnet die körperliche Reaktion von Zuhörer:innen auf die Stimme eines Sprechers / einer Sprecherin. Stellt euch z.B. einen Hochschuldozenten vor, der eine krächzende, raue Stimme hat, die so klingt, als müsse er sich dringend mal räuspern. Als Reaktion darauf fangen wir selbst an, uns zu räuspern oder zu husten. Oder stellt euch eine Sängerin vor, deren Stimme sich überschlägt und angestrengt anhört. Wir werden uns unwohl fühlen, weil wir ihre Anstrengung nachempfinden.
Was bedeutet das für Moderator:innen? Wenn wir mit kraftloser, angespannter oder heiserer Stimme sprechen, werden sich unsere Zuhörer:innen langweilen oder unwohl fühlen, sodass sie nicht weiter zuhören wollen. Das, worüber wir sprechen, gerät in den Hintergrund. Sprechen wir stattdessen mit entspannter, fester und lebhafter Stimme, können wir die Aufmerksamkeit länger aufrechterhalten.
1. Herausforderung im digitalen Raum: nur so laut wie nötig sprechen
Wer bei Online-Meetings oder digitalen Trainings und Workshops weder Mikrofon noch Kopfhörer benutzt, läuft Gefahr, lauter als nötig und vor allem lauter als normal zu sprechen, weil der Laptopklang eine gewisse Distanz zu den Teilnehmenden suggeriert. Auch mit Kopfhörern kann das passieren, da wir uns in moderater Lautstärke selbst nicht „von außen“ hören können und zur Korrektur die Lautstärke erhöhen.
Die Folgen des lauten Sprechens können sein, dass es einerseits störend für die Zuhörer:innen ist und andererseits die Stimme strapaziert. Diejenigen, die es nicht gewohnt und/oder nicht darin geschult sind, werden stimmlich schneller ermüden, sich verspannen oder heiser werden. Dadurch wiederum – wie wir oben festgehalten haben – sinkt die Konzentration unserer Teilnehmenden und wir wirken im schlimmsten Fall unprofessionell. Lösungen können sein:
1. Bewusst etwas leiser sprechen.
2. Ein gutes Mikrofon und gute Kopfhörer verwenden und die eigene Lautstärke so einstellen, dass wir uns in entspannter Sprechlautstärke gut hören können.
3. Die Hörer:innen gleich zu Beginn der Online-Sitzung um Feedback zur Sprechlautstärke bitten.
2. Herausforderung im digitalen Raum: den Körper aktivieren
Die Stimme ist der Klang unseres Instrumentes „Körper“. Ist der Körper krumm und schlapp vom vielen Sitzen, kann der Atem nicht fließen und unserer Stimme fehlt es an (Ausdrucks-)Kraft. Probiert es doch mal aus: Lungert euch auf einen Stuhl und sprecht aus dieser Haltung so überzeugend wie möglich: „Ich bin fit und bereit für den Tag!“ Setzt euch danach aufrecht hin und sprecht den gleichen Satz wieder möglichst überzeugend. Hat sich etwas verändert? Wiederholt das Experiment nun im Stehen, erst ohne und danach mit Körperspannung. Welche Unterschiede könnt ihr feststellen? Habt ihr zum Beispiel die Hände und Arme benutzt, um eure Fitness gestisch zu unterstreichen? Das ist ein gutes Mittel, um den Körper aktiv zu halten und unsere Sprechabsicht zu unterstützen.
Wenn wir hingegen mit steifgesessenem Körper sprechen, können wir müde bis hin zu verspannt wirken, weil wir die fehlende Grundspannung des Körpers mit Druck wettmachen wollen. Das ist – by the way – leider immer eine schlechte Alternative. Besser ist, euch und eure Zuhörer:innen regelmäßig zu aktivieren, indem ihr vor und während jeder Online-Sitzung körperliche Übungen einschiebt, wie zum Beispiel aufstehen und den Körper ausschütteln, die Schultern kreisen oder mit allen Teilnehmenden in der Galerieansicht eine La Ola ausführen. Solche Übungen bringen zudem einen weiteren Bonus: Sie können die Teilnehmer:innen überraschen und damit wieder ihre Aufmerksamkeit erregen.
Ob digital oder analog – als Sprecher:innen ist euer wichtigstes Werkzeug die Stimme. Wir können besonders für den digitalen Raum empfehlen: Holt euch Feedback von euren Zuhörer:innen und traut euch, z.B. Lautstärke und Bildausschnitt nachzuregeln. Traut euch außerdem, Bewegungsübungen anzuleiten. Die Erfahrung lehrt, dass die meisten Menschen das Ausscheren aus dem üblichen Ablauf (und aus dem Herumsitzen) gerne mitmachen.
Foto von Max van den Oetelaar auf Unsplash.